Forschungsthemen

Casablanca, Moschee Hassan II.
Touristen vor der Moschee Hassan II., Casablanca

Touristen und der Islam

 

Muslimische Länder sind seit Jahrzehnten ein bedeutender Markt für nicht-muslimische Reisende. Dennoch ist die Verbindung von Tourismus und Islam in den sozialwissenschaftlichen Disziplinen bisher nur in wenigen Themenbereichen erfolgt, insbesondere im Kontext von Pilgerfahrten und spirituellen Reisen. Weitgehend unerforscht ist indes, wie das Islam-Wissen von Touristen, die muslimische Länder bereisen, beschaffen ist, aus welchen Bausteinen es sich zusammensetzt, wie Touristen unterwegs Islam und muslimische Praxen wahrnehmen und reflektieren. Zu diesen Fragen wurde seit 2009 eine Erhebung durchgeführt, sie erfolgte auf zehn Studienreisen durch Marokko im Rahmen einer multilokalen und multitemporalen Forschung im Sinne von George Marcus.
Publikation


Fes, Madrasa Bu Inania
Fes, Madrasa Bu Inania

Hassposten in Online-Foren. Diskursmuster und Diskursstrategien bei Islamthemen.

 

Die sich mit dem Web 2.0 entwickelnden Formen der Kommunikation in Chats, Blogs, Foren und sozialen Netzwerken veranlassten auch Zeitungsherausgeber, Online-Ausgaben ihrer Blätter zu schaffen und zu einzelnen Artikeln Diskussionsräume zu eröffnen. Erstmals in der Geschichte haben Zeitungsleser die Möglichkeit, ihre Meinungen zu bestimmten Inhalten öffentlich und für jedermann zugänglich kundzutun. Die neuen Formen des Meinungsaustauschs, die nicht direkt von Person zu Person, sondern vermittelt erfolgen, mit Unbekannten, und falls gewünscht im Schutz der Anonymität, schufen auch neue Stilformen der Sprache, Regeln des Benehmens und Verstöße dagegen wie Spammen, Flamen, Trollen und Hasssprache.
Zugleich sind Islam und Muslime in Europa seit 11/9 zum polarisierenden Thema, zum innenpolitischen Problem und zum medialen Dauerbrenner geworden. Deswegen sind auch Postings zu solchen Artikeln zahlreich. Dabei werden bekanntermaßen auch islam- und muslimfeindliche Inhalte transportiert. Ob und in welchen Formen diese auch in seriösen, sich als Qualitätszeitungen definierenden überregionalen Blättern im deutschsprachigen Raum aufscheinen, wurde 2011 in einer Fallstudie mittels eines diskursanalythischen Verfahrens (Duisburger Ansatz) ergründet. Zudem wurden Islamthemen zugrundeliegende Diskursmuster und Diskursstrategien veranschaulicht.
Publikation


Rissani, Qsar Aulad-Abd al Halim
Marokko, Rissani, Qsar Aulad-cabd al-Halim. Die Pfeile, ein Willkommensgruß, weisen Mekka-Heimkehrern den Weg zu ihrem Haus.

Die Pilgerfahrt der Muslime nach Mekka und Medina im touristischen Kontext.

 

Es ist das herausragende Ereignis in der religiösen Biografie jedes Muslim, gemäß der fünften Säule des Islam einmal im Leben die Reise nach Mekka zu erleben. Wenn der 12. Monat des islamischen Kalenders naht, begeben sich regelmäßig gegen drei Millionen Menschen auf den Hadsch. Die Pilgerfahrt frei von Anschlägen, Epidemien, Unfällen zu halten, ist oberstes Ziel der Behörden, denen für die hochprofessionelle Durchführung international immer mehr Respekt gezollt wird.
Basierend auf mehreren Quellen der Datenerhebung (Materialien des Ministerium des Hadsch in Riad, die regelmäßige Berichterstattung saudi-arabischer Zeitungen, leitfadengestützte Interviews mit marokkanischen Mekkapilgern, historische und rezente Reiseberichte, Mekka-Blogs, -Chats und -Foren wird der Hadsch im Rahmen kultur- und sozialanthropologischer Theoriebildung beleuchtet.

Dabei stehen im Mittelpunkt des Interesses weniger Religion und Ritual als Touristik und Logistik des wichtigsten Ereignisses der islamischen Welt, seine ökonomische, (welt)politische und gesellschaftliche Dimension. Auf einer individuellen Ebene der Reisepraxis wird die Pilgerfahrt als biografischer Höhepunkt aufgefasst, ist ein emotional stark besetztes, tiefes spirituelles Erlebnis und zeigt außerordentliche identitätsstiftende und integrationsfördernde Kraft. Genau aus diesen Gründen erfolgt auf politisch/gesellschaftlicher Ebene ihre zweckorientierte Instrumentalisierung durch viele Regierungen.
Publikation


Marrakesch, Dschama' al-Fana'
Marrakesch, Dschamic al-Fana’

Eine Ethnographie der Sehenswürdigkeiten***

 

Sehenswürdigkeiten als zentrale Ressourcen von Bildungs- und Kulturtourismus werden von zwei Seiten her beleuchtet, die Fragestellungen beziehen sich einerseits auf die Sehenswürdigkeit selbst als Objekt (kulturwissenschaftlicher Ansatz), andererseits auf Touristen vor Sehenswürdigkeiten (sozialanthropologischer Ansatz). Datengewinnung war möglich durch berufliche Tätigkeit in der Reisebegleitung von Gruppenreisen, die das langfristige Studium touristischer Praxis in Bezug auf Sehenswürdigkeiten gewährleistete. Dabei wird im Rahmen einer multilokalen und multitemporalen Forschung im Sinne von Marcus’ (1995) Verfahren die Sehenswürdigkeit als Metapher begriffen, die verfolgt wird. Methodische Annäherung erfolgt nicht durch Interviews und Befragungen, sondern in offenem, systematischem Beobachtungsverfahren, auch in informellen Gesprächssituationen, die sich zwanglos ergeben. Durch die touristische Praxis der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten sollte ergründet werden, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sie aufweisen, welche Eigenschaften, Charakteristika, Attribute sie als solche ausweisen, welche Anforderungen sie erfüllen müssen, um Sehenswürdigkeiten zu sein. Der zweite Frageansatz bezieht sich auf Handeln und verbale Äußerungen von Touristen vor Sehenswürdigkeiten, Reaktionen, Erwartungshaltungen und -erfüllungen.
Die Analyse erfolgte auf Grund von Überlegungen, die angeregt wurden durch Ansätze aus dem Bereich einer interpretativen Kulturanthropologie, der Ethnographie als dichter Beschreibung, der Cultural Studies und postkolonialer Theoriebildung. Die Annäherung als transdisziplinäre, methodenpluralistische Bricolage will differente Lesarten des kulturellen Produkts Sehenswürdigkeit ermöglichen und so zu einer Ethnographie der touristischen Attraktion gelangen.
Publikation
In einer weiteren interpretativen Untersuchung erfolgte eine Analyse der Prozesse und Strategien, die notwendig werden, um Sehenswürdigkeiten in Tourismuslandschaften einzufügen, in einer Anwendung der Akteur-Netzwerk-Theorie.
Publikation