Der Text erschien (in leicht veränderter Form) in der Wiener Zeitung, 5. 6. 2018.
Bezüglich der Akzeptanz von Schwarzen Menschen im Lande liegt vieles im Argen.
Unlängst fand ein kleines, aber feines Symposium statt – „Afrikaner und Afrikanerinnen in Wien“, veranstaltet am Institut für Österreichkunde, und die Vorträge und Diskussionen zeigten, dass es für Teile der alteingesessenen Bewohner Österreichs keine Selbstverständlichkeit ist, die Präsenz einer starken afrikanischen Diaspora zur Kenntnis zu nehmen.
Es eröffnete Mireille Ngosso, geboren in der Demokratischen Republik Kongo, Ärztin und designierte stellvertretende Bezirksvorsteherin in Wien I, die nach ihrer Ernennung einen rassistischen Shitstorm, aber auch viel Zustimmung erlebte, wie sie sagte. Den Einführungsvortrag hielt Walter Sauer, der sich Verdienste erworben hat um die Erforschung der Kolonialhistorie Österreichs – eines der verdrängten Kapitel in der hiesigen Vergangenheitspolitik – gemeinsam mit Vanessa Spanbauer, auch Herausgeberin des Magazins „Fresh“. Aktuelle Statistiken und Forschungsergebnisse wurden vorgelegt.
Historische Altlasten
So ist ein lange tot geschwiegenes Kapitel der österreichischen Geschichte das Leiden von Menschen afrikanischer Herkunft im Nationalsozialismus – sie waren der Kategorie „nicht-arisch“ zugeordnet und deswegen Verfolgungen ausgesetzt. Das laufende Projekt „Afrikaner und Afrikanerinnen in Mauthausen“ ist in Teilergebnissen bereits veröffentlicht. Desgleichen ist das Schicksal der so genannten „Besatzungskinder“ (auch „Befreiungskinder“), die von 1945 bis 1955 geboren wurden, ein Thema, das erst in den letzten Jahren durch wissenschaftliche Aufarbeitung, Ausstellungen und Publikationen Beachtung erfährt. Ihre Väter waren G.I.s afrikanischer Herkunft aus den Streitkräften der USA oder – in Vorarlberg und Tirol – marokkanische Soldaten, die der französischen Armee angehörten. Die Diskriminierungen, denen diese Kinder und ihre inländischen Mütter im Verlaufe ihres Lebens ausgesetzt waren, mag man sich gar nicht vorstellen.
Inzwischen lebt hierzulande bereits die zweite und dritte Generation von Schwarzen Menschen – „Schwarz“ mit Großbuchstaben „S“ am Anfang ist eine Selbstzuschreibung und bezieht sich nicht auf die Hautfarbe, sondern auf die gemeinsamen Erfahrungen. Viele sind hier geboren, besitzen die Staatsbürgerschaft, betrachten Österreich als Heimat, haben in der Geschichte mitgelitten. Sie krempeln die Ärmel auf und zahlen Steuern, sie fühlen sich zugehörig oder würden sich gern zugehörig fühlen, müssen sich aber diese Zugehörigkeit täglich neu erkämpfen.
Bei der Arbeitsplatzsuche werden Personen, deren Fremdheit sichtbar, hörbar oder am Namen ablesbar ist, benachteiligt. Es gibt eine paar ausgesuchte Bereiche, in denen afrikanische Wurzeln nicht zwingend ein Nachteil sind: Zirkus, Sport (besonders Fußball und Leichtathletik), Musik, Tanz, Bühne. Seit den 1920er Jahren hat sich an den beruflichen Möglichkeiten für Schwarze Menschen wenig geändert. Hinzugekommen ist die katholische Kirche als Arbeitgeberin für Priester aus Afrika. Außerdem bietet die Tourismus-Industrie Berufs-Chancen. In Beherbergungsbetrieben und teils in der Gastronomie sind afroösterreichische Bewerber erwünscht – es sei denn, sie tragen Kopftuch. Die Unternehmen demonstrieren damit Weltläufigkeit – schließlich ist auch die Kundschaft international.
Über Alltagsrassismen
Menschen mit sichtbarem Afrikabezug, die in Österreich leben, sind es gewohnt, diskriminiert zu werden, schon in der Schule, bei den alltäglichen Wegen, an der Supermarktkassa, in der U-Bahn. Es ist zermürbend, wenn man hier geboren und zur Schule gegangen ist, wenn sich ständig jemand erkundigt, ob man auch deutsch spreche. Manche Ausgrenzungen tarnen sich als Interesse. Wildfremde Menschen fragen: „Woher kommen Sie?“ und glauben dabei, höflich und wohlwollend zu sein. Selten gibt sich die fragende Person zufrieden mit der Antwort „aus Ottakring“ oder „aus Oberösterreich“. Tatsächlich gilt das Interesse nämlich der geografischen Herkunft der Vorfahren der befragten Person. Eine Antwort mit Nennung eines Landes, das weit weg ist, würde eher in die Vorstellungswelt passen. Damit gibt man aber zu erkennen, dass ein Mensch, nur weil er oder sie ein bestimmtes Aussehen hat oder bestimmte Kleidung trägt, eben nicht dazugehört – und letztlich auch, dass solche Menschen nicht erwünscht ist.
Es ist also noch viel zu tun. Den nicht-afrikanischen Bewohnern Österreichs würde ein wenig Interesse an den Befindlichkeiten und Schwierigkeiten der afroösterreichischen Bevölkerung gut anstehen. Man wünscht sich öfters solche Veranstaltungen und dass sie ein breites Auditorium finden, besonders Meinungsmultiplikatoren wie Lehrer und Journalisten.
Denn die gleichberechtigte Teilhabe aller am gesellschaftlichen Geschehen liegt vor allem auch in der Verantwortung derer, die sich als Mehrheit begreifen.