Muslimen reicht’s.

Über eine abendliche Diskussionsrunde in Karls Garten

Das Magazin „biber“, das über die multiethnische und multireligiöse Gesellschaft Österreichs berichtet, zeichnet sich einmal aus durch diverse Durchmischung seiner Redaktion und zudem, weil es pikante transkulturelle Themen aufgreift (Selbstbezeichnung: „biber mit scharf“), die die örtliche Medienlandschaft enorm bereichern, aber keineswegs den niedrigen Instinkten huldigen wie die anderen Gratisblätter.

Unlängst war die Zeitschrift Veranstalterin eines sommerlichen Podiums- und Publikumsgesprächs im Karls Garten: „Muslimen reicht’s“. Unter diesem Titel würde man eigentlich erwarten, über die Befindlichkeiten von Menschen zu hören, die seit Längerem regelmäßig und ganz generell einem feindlich gesinnten verbalen Dauerbeschuss ausgesetzt sind. Wie geht es jemandem, dessen Religion zwar seit mehr als hundert Jahren offiziell anerkannt ist, dessen zentrale Glaubenssätze und -praktiken aber immer mehr von politischen Parteien und inzwischen systematisch von ganz oben diskriminiert werden? Wie geht es ihnen bei den ständigen Forderungen nach Verboten von Kopftuch, Schächten, Fasten, Beschneidung …?

Doch darüber war wenig zu erfahren. Ganz im Gegenteil, einige redegewandte Personen im Publikum und auf dem Podium verstanden es ausgezeichnet, die altbekannten Beschuldigungen einmal mehr vorzutragen, die ganze Palette wurde abgearbeitet von Antisemitismus über Bildungs- und Frauenfeindlichkeit bis zu Zwangsverheiratung. Kein Wort natürlich über artverwandte Missstände in anderen Teilen der Bevölkerung, dafür das zynische Ansuchen, Muslime sollten aufhören, sich in der Opferrolle zu suhlen.

Trotz der Bemühungen des Moderators um Ausgewogenheit durchzog bald ein islamfeindlicher Unterton den idyllischen Garten, Muslime wurden in Verteidigungsposition gedrängt und waren genötigt, die Angriffe zu parieren. Sie haben dies stoisch ertragen, sie sind es offensichtlich gewöhnt, es ist ihr Alltag. Sie kamen nicht mehr dazu, über ihre Gefühlslagen zu berichten, nur am Rande war noch die Rede von strukturellem Rassismus, von schlechteren Unterrichtsmaterialen bei Deutsch für Fremdsprachige, von Benachteiligungen in der Schule und bei der Arbeitssuche.

Nebenbei bemerkt waren unter den muslimischen Diskutanten mindestens so viele weibliche wie männliche – wenn nicht deutlich mehr weibliche, die im Übrigen selbstbewusst auftraten und kompetent argumentierten. Alleine diese Geschlechterverteilung bei einer öffentlichen Veranstaltung hätte zumindest ein Vorurteil widerlegen müssen: Das Stereotyp von den armen, unterdrückten muslimischen Frauen, die von ihren Vätern, Brüdern und Söhnen bevormundet und kontrolliert werden, ist in seiner Simplizität nicht haltbar.

Wenn dies wenigstens einigen Anwesenden aufgefallen ist, dann hat die Zusammenkunft schon etwas erreicht: Wer darüber nachdenkt, könnte auf die Idee kommen, auch die anderen pauschalierenden Verdächtigungen gegen eine ganze Religion und ihre Angehörigen einmal in Frage zu stellen. Wer darüber nachdenkt, könnte durchschauen, dass Muslime in der Innenpolitik mehrerer europäischer Länder derzeit als Sündenböcke für die schlimmsten Übel in einer globalisierten Welt geradestehen müssen.