Kurz vor Beginn der Islamkonferenz distanzierten sich mehrere Islamvertreter von deren Inhalten. Unter Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stünde zu sehr das Thema Sicherheit im Vordergrund, so lautete die Kritik.
Radiobeitrag in: WDR 5, Politikum, 7. 5. 2013
Die einen wollen reden über Sicherheit und Gewaltprävention, über Fanatismus und Radikalisierung, die anderen über die Einführung islamischen Religionsunterrichts und Lehrerausbildungen, über Fragen, wie sie ihren Glauben in den deutschen Alltag integrieren können. Die Muslime Deutschlands hoffen endlich auf Fortschritte in der Anerkennung als Religionsgemeinschaft.
Es stellt sich die Frage, warum Islam und Muslime eisern als Problem und als Bedrohung gesehen und diskutiert werden, wie alleine schon die Ansiedelung der Agenda im Innenministerium belegt. Die beharrliche innenministerielle Verknüpfung von Islam mit Gewalt, stößt Menschen vor den Kopf, die Gewalt ablehnen, weil ihre Religion sie ihnen verbietet.
Unzählig sind die Stellungnahmen von Islamverbänden und führenden muslimischen Persönlichkeiten, die sich distanzierten von Extremismus jeder Form, von Terror, Zwangsverheiratungen, Gewalt in der Ehe, Selbstmordattentaten, Ehrenmorden und grundsätzlich allen Morden. Ebenso wie das Christentum verbietet selbstverständlich auch der Islam seinen Anhängern all diese Schreckenstaten.
Unzählig sind auch die Studien, die belegen, dass die große Mehrheit der Muslime Gewalt ablehnt, sowie auch dieser Tage eine Erhebung des US-amerikanischen Pew Research Center mit dem Titel: „Die Muslime der Welt: Religion, Politik und Gesellschaft“1).
Da wurden in 39 vorwiegend muslimisch geprägten Staaten von Pakistan bis Marokko insgesamt 38.000 Personen über ihre Ansichten zu Gott und der Welt, zu politischen Parteien und Evolution, zu Frauenrechten und Musikvorlieben befragt. Es lohnt sich, auf einige Resultate zu verweisen, denn sie wären geeignet, das Verständnis und das Verhältnis zwischen den Religionen zu verbessern.
So wird in 31 von 37 Ländern, in denen die Frage gestellt wurde, mit großer Mehrheit der Demokratie der Vorzug gegeben gegenüber einem starken Mann, der das Land führt.
Die Mehrheit derjenigen, die die Scharia zum offiziellen Recht in ihrem Land machen wollen, sind auch der Meinung, dass diese nur für Angehörige des Islam gelten solle. Damit treten sie für Religionsfreiheit und für den Respekt gegenüber anderen Religionen ein. Und sie befürworten überwiegend, dass Nicht-Muslime ihren Glauben im jeweiligen Land praktizieren dürfen.
Sie fürchten sich, was wenig überrascht, vor extremistischen Gruppen und lehnen mit überwältigender Mehrheit Selbstmordanschläge ab. Und bloß weil sie islamischem Recht anhängen, sind sie nicht zwingend für Körperstrafen im Rechtsvollzug und noch weniger für Todesstrafe bei Apostasie, also der öffentlichen Abkehr vom Islam.
Und was Geschlechterrollen betrifft, betont eine Mehrheit der Befragten, dass Frauen selbst bestimmen sollen, ob sie ihre Köpfe verhüllen wollen, räumen ihnen das Recht ein, eine Scheidung zu verlangen und sind für Gleichbehandlung im Erbrecht.
Diese Detailergebnisse sollte man zur Kenntnis nehmen und für Dialoge nutzen. Ein solcher Dialog könnte die Islamkonferenz sein. Anstatt ewig zu debattieren, ob der Islam nun zu Deutschland gehöre oder nicht, wäre es an der Zeit, Muslime endlich als Chance und Bereicherung für das kulturelle und ökonomische Geschehen in Europa zu begreifen.
Öffentliche Persönlichkeiten wie der Orientalist Navid Kermani und der Schiftsteller Feridun Zaimoglu haben sich von der Islamkonferenz distanziert. Wie müssen sich Muslime fühlen, die in Deutschland leben und hier geboren sind, wenn ihre Religion immer wieder in Kontext zu Terror und Extremismus gestellt wird?
Es muss besonders schmerzlich sein, wenn gerade bei einer Konferenz, die eigentlich die Basis für ein gemeinsames Zusammenleben aller Bewohner des Landes erarbeiten sollte, nur das Thema Sicherheit in den Vordergrund gerückt wird, wobei die Schuldzuweisungen immer in eine Richtung erfolgen. Nicht bedacht wird dabei auch, dass die meisten Opfer muslimischer Gewalt Muslime sind.
1) Pew Research Center
https://www.pewresearch.org/religion/2013/04/30/the-worlds-muslims-religion-politics-society-overview/