Das Muezzin-Experiment

Eine mutige Oberbürgermeisterin wagt einen Vorstoß, und halb Europa ist in Aufruhr.

Der Kommentar ist mit anderem Untertitel in der Wiener Zeitung am 3. 5. 2022, S. 12 erschienen.

Allfreitäglich dürfte nun in Köln der Muezzin erschallen, dessen Aufgabe es ist, die Gläubigen in die Moschee zu rufen. Natürlich ist die Initiative mit allerhand Einschränkungen und Auflagen versehen, etwa was Zeitraum, Dauer und Lautstärke betrifft. Auch ist sie auf zwei Jahre befristet. Danach soll evaluiert werden. Aber sogleich ist grenzüberschreitend eine Debatte entbrannt. So manche Schweizer frohlocken, weil sie vor Jahren schon Minarette verboten haben, offenbar einer verqueren Logik folgend: wo keine Minarette, da kein Muezzin, da keine Agitation … Gewiss wird das neue antimuslimische Getöse über kurz oder lang auch nach Österreich überschwappen. → →

Corona und Islam

Aus verschiedenen Gründen bietet Covid-19 wieder Anlass für Hetze.

Der Kommentar ist unter anderem Titel in der Wiener Zeitung vom 6. 5. 2021, S. 22 erschienen.

Zu Beginn der Vireninvasion hat es eine Weile lang so ausgesehen, als ob Zugewanderte, ihre Nachkommen und Musliminnen für einmal in Ruhe gelassen werden, weil das Aufbauen neuer Feindbilder für die professionellen Aufwiegler attraktiver war. → →

Täter und Täterinnen

Über Gewalt gegen Frauen und ihre Ursachen

Der Kommentar ist in der Wiener Zeitung vom 16. 12. 2020, S. 21 erschienen.

Anlässlich der internationalen Aktionstage im November und Dezember veröffentlichte der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) die Broschüre „Gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Handlungsmöglichkeiten und Präventionsmaßnahmen. Ein Leitfaden für Multiplikator/innen“.

Die Vorstellung dieses Produktes lieferte der Integrationsministerin einen Anlass für einen ihrer bekannt integrationsfeindlichen Auftritte, in denen eine bestimmte Menschengruppe pauschal an den Pranger gestellt wird. Die meisten Medien übernahmen dann die Agenturmeldung mehr oder weniger wörtlich. → →

Ein Kopftuchverbot in der Schule kann Abschottung fördern.

Der Kommentar erschien am 29. 11. 2018 in der Wiener Zeitung.

Wie man mittels Körperpolitiken gesellschaftliche Normierungen durchsetzt.

Es gibt hierzulande ein eingespieltes Ritual. Immer, wenn man die Bevölkerung von unangenehmen Sachverhalten ablenken will, werden Kopftücher ausgepackt – und schon ist das unbequeme Thema vom Tisch, aus den Medien und aus den Gedanken potenzieller Kritiker. → →

Verheiratet wider Willen?

Der Text erschien in der Wiener Zeitung, 20./21. 10. 2018.

Erzwungene Heiraten sind gemäß islamisch fundierten Rechtsauffassungen verboten und kommen seltener vor als eingeschworene Muslimfeinde gerne hätten.

Zwei Menschen entscheiden – nach Überlegungen, die sie für reiflich halten, und weil der Sex gerade passt – den Rest des Lebens gemeinsam zu verbringen. Mitunter nimmt einer der Partner den Namen des anderen an. So passieren Eheschließungen in westlich orientierten Gesellschaften.

Es gibt jedoch in allen Regionen der Welt Heiratspraktiken, die mit diesen Gepflogenheiten nicht im Geringsten übereinstimmen. Sozialanthropologisch betrachtet ist die freie Partnerwahl eine Ausnahmeerscheinung, die sich in liberalen Industriegesellschaften durchgesetzt hat – in den letzten hundert Jahren. → →

Muslimen reicht’s.

Über eine abendliche Diskussionsrunde in Karls Garten

Das Magazin „biber“, das über die multiethnische und multireligiöse Gesellschaft Österreichs berichtet, zeichnet sich einmal aus durch diverse Durchmischung seiner Redaktion und zudem, weil es pikante transkulturelle Themen aufgreift (Selbstbezeichnung: „biber mit scharf“), die die örtliche Medienlandschaft enorm bereichern, aber keineswegs den niedrigen Instinkten huldigen wie die anderen Gratisblätter.

Unlängst war die Zeitschrift Veranstalterin eines sommerlichen Podiums- und Publikumsgesprächs im Karls Garten: „Muslimen reicht’s“. → →

Das islamische Europa

Der Text erschien in der Wiener Zeitung, 4. 4. 2018, S. 2

Im 8. Jahrhundert betraten die ersten Muslime im heutigen Spanien europäischen Boden. Aber ihr Recht des Hierseins müssen sie 1300 Jahre später mehr denn je verteidigen.

In der aufgeheizten Stimmung um Europa und den Islam gilt nicht, was Historiker erforschen, sondern welche Ideologie Politiker und Medien vertreten. Als geschichtsvergessen erweist sich der Wunsch, dass nur die Muslime, aber nicht der Islam ein Teil Europas seien. → →

Wie viel Islam steckt in Europa?

Der Essay erschien unter anderem Titel in der Taz, 26. 3. 2018, S. 12

Der Okzident hat seine so genannten Werte und Leistungen keineswegs alleine und in genialer Isolation erarbeitet, sondern hat den Orient geistig und kulturell ausgebeutet und aufgesogen, was brauchbar schien.

Ohne die intellektuellen Leistungen von Muslimen würden wir weder bequem wohnen, noch bequem liegen, noch könnten wir effizient rechnen. Im Laufe von 13 Jahrhunderten hinterließen Araber, Perser und Türken in Europa nicht nur ihr Genmaterial, sondern auch ihr Gedankengut. Ein Deutschland ohne Islam ist undenkbar. → →

Wider ein “Kopftuchverbot” für Schülerinnen

Der Kommentar erschien am 22. 3. 2018 mit anderem Titel und Untertitel in der Presse.

Beratung wäre besser als Zwang und das Instrumentalisieren von Kindern für politische Zwecke.

Längst sind alle des Dauerbrenners Kopftuch überdrüssig, Musliminnen und Nicht-Muslime, und dennoch finden sich immer wieder Politikerinnen und Kommentatoren, die das Thema neu erfinden wollen. Ganzkörperverhüllungsverbote hat man schon hingekriegt, um die rechte Hälfte der Gesellschaft zufriedenzustellen. Jetzt geht es um Bedeckungsverbote in Schulen. Oder es geht fantasievoll nicht um Verbote, sondern um Forderungen nach kopftuchfreien Arealen, was in der gelebten Praxis auf das Gleiche hinausläuft. → →

Verhüllte Missverständnisse

Der Kommentar erschien am 21. 2. 2018 in der Wiener Zeitung.

In westlichen Ländern solidarisiert man sich mit den iranischen Frauen aus den falschen Gründen.

Die Kopftuch-Rebellion in Teheran und anderen Städten wird in den Online Foren begeistert begrüßt, aber ziemlich missverstanden. Denn hierzulande wollen viele glauben, dass die Frauen gegen das Kopftuch sind, dass sie also durch die Abnahme desselben oder das bloße Schwenken einer Textilie an einer Stange für eine westliche Lebensweise eintreten. Deswegen wird den Aktivistinnen in den sogenannten sozialen Netzwerken zugejubelt. Eine solche scheinbare Solidarisierung ist aber nichts anderes als der alte westliche Kulturimperialismus, der annimmt, dass die eigene Lebensweise die beste sei, die überallhin exportiert werden müsse. → →