Sanfte Veränderung. Präsidentenwechsel im Iran

Militärputsch in Ägypten, politische Morde in Libyen, Massendemonstrationen in Tunesien, Bürgerkrieg in Syrien: So lauten derzeit die Schlagzeilen aus den islamisch geprägten Revolutionsländern. Zwar wäre es falsch, die Arabellion für gescheitert zu erklären, aber inzwischen müssen auch die größten Optimisten erkennen, dass die Wege, die zu Demokratie und Menschenwürde für alle führen, steinig und langwierig verlaufen.

Radiobeitrag in: WDR 5, Politikum, 5. 8. 2013

Anscheinend besser als Ägypten mit seinen zwei einander unversöhnlich gegenüberstehenden Blöcken meistert Tunesien den Übergang von Diktatur zu Demokratie. Aber auch in Tunesien gibt es Kräfte, die Mord für ein geeignetes Mittel der Durchsetzung von Interessen betrachten.

Im Iran hingegen ist nach einem friedlichen, demokratischen Urnengang seit gestern der neue Präsident Hassan Ruhani im Amt. Und da fragt man sich unweigerlich, ob denn im Iran die besseren Bedingungen für nachhaltige Entwicklungen in Richtung Freiheit und Wohlstand bestehen, als in den Ländern der Arabellion.

Eines ist bereits jetzt klar: Der Wechsel an der Spitze in Teheran ist nicht die dramatische Wende, die viele im In- und Ausland erhofften. Er wirft dennoch einige Fragen auf.
Können die Iraner auf mehr bürgerliche Rechte und demokratische Mitbestimmung hoffen?
Wird die neue Regierung im Atomstreit einlenken oder auch in Hinkunft behaupten, das Nuklearprogramm bloß für zivile Zwecke zu betreiben?
Wird der Iran weiterhin den Bürgerkrieg in Syrien durch Waffen und Truppen (der Hisbollah) befeuern?

Der neue Präsident, zugleich Regierungschef, wirkt sympathisch und herzlich, er trägt stets ein Lächeln auf den Lippen. Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der starke Mann nach wie vor ein anderer ist, nämlich der höchste Rechtsgelehrte und Theologe Ajatollah Ali Khamenei. Und dieser scheint beschlossen zu haben, die Zügel etwas lockerer zu führen. Die schlechte Wirtschaftslage und der schwindende Rückhalt in der Bevölkerung mögen ihn dazu gebracht haben.

Ruhani ist Teil des Systems, er kommt aus dem Zentrum der Macht, war Atomunterhändler, aber er gilt als Mann des Ausgleichs. Er ist keiner der polarisiert wie sein Amtsvorgänger Ahmadinedschad, dessen Hauptverdienst es war, bildungsferne Schichten anzusprechen. Man könnte sagen, dass Ruhani in seiner Persönlichkeit alle Facetten der islamischen Republik Iran abdeckt. Er ist einer, der Radikale ebenso anzusprechen vermag wie politisch Uninteressierte. Im Wahlkampf versprach er politische Reformen, die Freiheit des Wortes, die Abschaffung von Zensur – in Internet und Presse – und die Bewältigung der Wirtschaftskrise.

Letzteres wird nur möglich sein, wenn die Ölexporte boomen und der multilaterale Handel floriert. Daher wird nun im In- und Ausland erwartet, dass er im Atomstreit einlenkt, um die Sanktionen zu lockern oder zu beseitigen und die Versorgungslage zu verbessern. Insofern ist Ruhani für die Bevölkerung die vorläufig beste Hoffnung auf ein besseres Leben, und deswegen hat ihm eine Mehrheit ihre Stimme gegeben.

Bei seiner Vereidigung sagte Ruhani, dass der Iran militärische Invasionen und Bruderkriege ablehne und dass sein Land in Hinkunft ein Garant für Stabilität in der Region sein werde. Sollte er tatsächlich der Mann der Versöhnung sein, als der er sich gerne präsentiert, dann sollten auch die USA und die EU einmal einen Schritt nach vorne tun und die Hand ausstrecken. Dies gilt für den Krieg in Syrien ebenso wie für den Atomstreit. Anstatt immer bloß Forderungen zu stellen und Demokratie einzumahnen, könnte man dem Land den Respekt entgegenbringen, den Ruhani sich in seiner Antrittsrede vom Westen gewünscht hat. Es wäre höchst an der Zeit, den Iran an den Verhandlungstisch zu bitten!

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