Das Muezzin-Experiment

Eine mutige Oberbürgermeisterin wagt einen Vorstoß, und halb Europa ist in Aufruhr.

Der Kommentar ist mit anderem Untertitel in der Wiener Zeitung am 3. 5. 2022, S. 12 erschienen.

Allfreitäglich dürfte nun in Köln der Muezzin erschallen, dessen Aufgabe es ist, die Gläubigen in die Moschee zu rufen. Natürlich ist die Initiative mit allerhand Einschränkungen und Auflagen versehen, etwa was Zeitraum, Dauer und Lautstärke betrifft. Auch ist sie auf zwei Jahre befristet. Danach soll evaluiert werden. Aber sogleich ist grenzüberschreitend eine Debatte entbrannt. So manche Schweizer frohlocken, weil sie vor Jahren schon Minarette verboten haben, offenbar einer verqueren Logik folgend: wo keine Minarette, da kein Muezzin, da keine Agitation … Gewiss wird das neue antimuslimische Getöse über kurz oder lang auch nach Österreich überschwappen. → →

Corona und Islam

Aus verschiedenen Gründen bietet Covid-19 wieder Anlass für Hetze.

Der Kommentar ist unter anderem Titel in der Wiener Zeitung vom 6. 5. 2021, S. 22 erschienen.

Zu Beginn der Vireninvasion hat es eine Weile lang so ausgesehen, als ob Zugewanderte, ihre Nachkommen und Musliminnen für einmal in Ruhe gelassen werden, weil das Aufbauen neuer Feindbilder für die professionellen Aufwiegler attraktiver war. → →

Ein Kopftuchverbot in der Schule kann Abschottung fördern.

Der Kommentar erschien am 29. 11. 2018 in der Wiener Zeitung.

Wie man mittels Körperpolitiken gesellschaftliche Normierungen durchsetzt.

Es gibt hierzulande ein eingespieltes Ritual. Immer, wenn man die Bevölkerung von unangenehmen Sachverhalten ablenken will, werden Kopftücher ausgepackt – und schon ist das unbequeme Thema vom Tisch, aus den Medien und aus den Gedanken potenzieller Kritiker. → →

Verheiratet wider Willen?

Der Text erschien in der Wiener Zeitung, 20./21. 10. 2018.

Erzwungene Heiraten sind gemäß islamisch fundierten Rechtsauffassungen verboten und kommen seltener vor als eingeschworene Muslimfeinde gerne hätten.

Zwei Menschen entscheiden – nach Überlegungen, die sie für reiflich halten, und weil der Sex gerade passt – den Rest des Lebens gemeinsam zu verbringen. Mitunter nimmt einer der Partner den Namen des anderen an. So passieren Eheschließungen in westlich orientierten Gesellschaften.

Es gibt jedoch in allen Regionen der Welt Heiratspraktiken, die mit diesen Gepflogenheiten nicht im Geringsten übereinstimmen. Sozialanthropologisch betrachtet ist die freie Partnerwahl eine Ausnahmeerscheinung, die sich in liberalen Industriegesellschaften durchgesetzt hat – in den letzten hundert Jahren. → →

Muslimen reicht’s.

Über eine abendliche Diskussionsrunde in Karls Garten

Das Magazin „biber“, das über die multiethnische und multireligiöse Gesellschaft Österreichs berichtet, zeichnet sich einmal aus durch diverse Durchmischung seiner Redaktion und zudem, weil es pikante transkulturelle Themen aufgreift (Selbstbezeichnung: „biber mit scharf“), die die örtliche Medienlandschaft enorm bereichern, aber keineswegs den niedrigen Instinkten huldigen wie die anderen Gratisblätter.

Unlängst war die Zeitschrift Veranstalterin eines sommerlichen Podiums- und Publikumsgesprächs im Karls Garten: „Muslimen reicht’s“. → →

Wider ein “Kopftuchverbot” für Schülerinnen

Der Kommentar erschien am 22. 3. 2018 mit anderem Titel und Untertitel in der Presse.

Beratung wäre besser als Zwang und das Instrumentalisieren von Kindern für politische Zwecke.

Längst sind alle des Dauerbrenners Kopftuch überdrüssig, Musliminnen und Nicht-Muslime, und dennoch finden sich immer wieder Politikerinnen und Kommentatoren, die das Thema neu erfinden wollen. Ganzkörperverhüllungsverbote hat man schon hingekriegt, um die rechte Hälfte der Gesellschaft zufriedenzustellen. Jetzt geht es um Bedeckungsverbote in Schulen. Oder es geht fantasievoll nicht um Verbote, sondern um Forderungen nach kopftuchfreien Arealen, was in der gelebten Praxis auf das Gleiche hinausläuft. → →

Verhüllte Missverständnisse

Der Kommentar erschien am 21. 2. 2018 in der Wiener Zeitung.

In westlichen Ländern solidarisiert man sich mit den iranischen Frauen aus den falschen Gründen.

Die Kopftuch-Rebellion in Teheran und anderen Städten wird in den Online Foren begeistert begrüßt, aber ziemlich missverstanden. Denn hierzulande wollen viele glauben, dass die Frauen gegen das Kopftuch sind, dass sie also durch die Abnahme desselben oder das bloße Schwenken einer Textilie an einer Stange für eine westliche Lebensweise eintreten. Deswegen wird den Aktivistinnen in den sogenannten sozialen Netzwerken zugejubelt. Eine solche scheinbare Solidarisierung ist aber nichts anderes als der alte westliche Kulturimperialismus, der annimmt, dass die eigene Lebensweise die beste sei, die überallhin exportiert werden müsse. → →

Was wir aus der Kopftrophäen-Debatte lernen könnten

Der Kommentar erschien am 12. 12. 2017 in der Wiener Zeitung.

Nicht nur die Toten verdienen Respekt, sondern auch die Lebenden – und zwar alle, unabhängig von Herkunft und Religion.

Gegenwärtig wird darüber diskutiert, ob man die menschlichen Überreste, die bisher als Kunst und Ethnographica betrachtet wurden, aus den Auktionshäusern und Schaukästen der endlich umbenannten Völkerkunde-Museen entfernen soll oder nicht. Dabei wird argumentiert, dass Leichenteile aus Pietät und aus Respekt dem Tod und dem Verstorbenen gegenüber nicht mehr verkauft und ausgestellt werden sollten, auch um rechtsextremen Umtrieben und Ansichten keinen Vorschub zu leisten.

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Stimmen, Clicks und Likes

Der Kommentar erschien am 12. 10. 2017 in der Wiener Zeitung.

Von rechten Seiten wird die Islamisierung des Abendlandes befürchtet, was man tatsächlich feststellen kann, ist eine Islamisierung der Innenpolitik.

Der Islam ist zur Debatte Nummer eins geworden. Dabei bekennen sich gerade einmal 8 Prozent der Bevölkerung zu dieser Religion. Und 2016 wurden 39.860 Asylwerber registriert. Aber es scheint in diesen Zeiten und in diesem Wahlkampf nur einen relevanten Themenkomplex zu geben: Muslime, Flüchtlinge, Migration, Integration.

Wie kann es sein, dass gerade diejenigen, die alles verloren haben außer dem nackten Leben, die politische Szene beherrschen, Zeitungsspalten füllen und die garstigsten Emotionen der ansässigen Bevölkerung auf sich kanalisieren? → →

Islam sells

Der Kommentar erschien am 27. 9. 2017 in der Wiener Zeitung.

Islam bringt Stimmen, Islam macht Quote, Islam lenkt ab. Wie man eine Religion und deren Angehörige auf ihre Kosten für politische Zwecke nutzen kann.

Ein neues Schlagwort macht die Runde: „der politische Islam“ ist in aller Munde, taucht in allen Medien auf und bei allen Parteien und wird bei jeder einschlägigen Veranstaltung erneut in die Köpfe der Wahlberechtigten gehämmert. Inzwischen kann bei dem Thema jeder mitreden. Es ist wie beim Wetter, beim Straßenverkehr und beim Sex, alle wissen Bescheid.
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