Wider ein “Kopftuchverbot” für Schülerinnen

Der Kommentar erschien am 22. 3. 2018 mit anderem Titel und Untertitel in der Presse.

Beratung wäre besser als Zwang und das Instrumentalisieren von Kindern für politische Zwecke.

Längst sind alle des Dauerbrenners Kopftuch überdrüssig, Musliminnen und Nicht-Muslime, und dennoch finden sich immer wieder Politikerinnen und Kommentatoren, die das Thema neu erfinden wollen. Ganzkörperverhüllungsverbote hat man schon hingekriegt, um die rechte Hälfte der Gesellschaft zufriedenzustellen. Jetzt geht es um Bedeckungsverbote in Schulen. Oder es geht fantasievoll nicht um Verbote, sondern um Forderungen nach kopftuchfreien Arealen, was in der gelebten Praxis auf das Gleiche hinausläuft.

Jetzt werden also Kinder instrumentalisiert, um muslimfeindliche Positionen zu begründen, gerne auch mit Einzelfällen argumentierend, die dann zum Anlass für Bevormundungen von allen genommen werden. Es sei daran erinnert, dass Minderjährige unter der Obhut ihrer gesetzlichen Vertreter stehen, die für sie verantwortlich sind. Idealerweise werden Kinderwünsche bis zur Volljährigkeit innerfamilial und diskursiv in Entscheidungsfindungen mit einbezogen. Kinder gleichen sich gerne Erwachsenen an, spielen erwachsen, kleine Mädchen lieben es, die Kleidung der Mütter zu tragen. Irgendwann kann sich das umdrehen, etwa in der Pubertät, und Jugendliche wollen dann das genaue Gegenteil von dem, womit die Eltern glücklich wären. Innerfamiliale Meinungsverschiedenheiten und Lernprozesse sind normal, und müssten eigentlich bei allen Erinnerungen an die eigene Biografie wecken.

Nicht durchdacht

Diese Forderungen nach staatlicher Durchsetzung von Kleiderordnungen sind nicht durchdacht. Was ist mit den Bedeckungen von Juden und Sikh, was ist mit Perücken und Hauben im Winter? Doch selbst wenn mittels juristischer Spitzfindigkeit belastbare Verbalkonstruktionen gefunden werden können, löst ein Verbot kein Problem. Vielleicht führt es gar zu Abschottung, denn Eltern können die Töchter ja auch in Privatschulen schicken. Segregation ist aber das Gegenteil von Integration, die politisch vorgeblich gewollt wird. Außerdem würde bereits kleinen Kindern vermittelt, dass freie Religionsausübung in Österreich nicht selbstverständlich ist.

Besser als Zwang wären Aufklärung und Information. Wenn der politische Wille es zuließe, könnten durch Überzeugungsarbeit von Schulen, Beratungsstellen, Sozialarbeitern – mit der Unterstützung von Medien – im Meinungsaustausch mit muslimischen Familien sozialisierte Geschlechterrollen und Bekleidungspraktiken diskutiert und gemeinsam Lösungen gefunden werden.

Was in der Debatte von selbst nicht religiösen Meinungsbildnern gerne übersehen wird, ist, dass man einen Glauben, der ja auf Transzendenz beruht, nicht einfach schulisch vermitteln und ausprobieren kann wie Basteln und Stricken. In einem konfessionsübergreifenden Unterricht alle Kinder Kopftücher wickeln zu lassen, die sie dann in der Schule nicht tragen dürfen? Zum besseren Verständnis aller? Vielleicht anschließend konfessionsübergreifend wie in der katholischen Messe Wein trinken und Hostien probieren, dass alle wissen, wie der Leib und das Blut Christi schmecken? Zum besseren Verständnis der Transsubstantiation?

Klingt absurd? Dann müsste auch klar sein, dass man religiösen Glauben nicht üben kann wie Rechtschreibung und Grammatik. Aber man kann lernen, respektvollen Umgang mit Andersdenkenden, Andersgläubigen und Andersgekleideten zu pflegen, und das zu vermitteln ist eine der Aufgaben der Bildungs-Institutionen in einer multikonfessionellen Gesellschaft.